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Über Bohnen und Löcher in Jackentaschen

Eben las ich eine wundervolle Geschichte. Nein, sie war mir nicht ganz neu – ich hatte sie schon einmal gelesen und mich darüber gefreut. Doch es ist ja so ein Phänomen, dass die kleinen und einfachen Dinge ganz leicht aus dem Gedächtnis herausfallen – wie eine Münze durch ein Loch in der Jackentasche.

Hier ist die Geschichte – ich weiss nicht, wer der Autor ist, wenn es denn überhaupt einen gibt… Wer das weiss, bitte melden, dann füge ich gern die Quelle und / oder einen Link den Namen ein. Gefunden wurde die Geschichte hier (danke an Lise – und hier gibts noch mehr Schönes zu entdecken).

Es war einmal eine sehr alte Frau, die glücklich und zufrieden lebte. Viele Menschen beneideten sie, weil sie eine echte Lebenskünstlerin war.
Die alte Frau verließ niemals ihr Haus ohne eine Handvoll getrocknete,
rote Bohnen mitzunehmen. Sie tat dies nicht etwa, um die Bohnen zu kauen, nein, sie steckte sie einfach in die rechte Tasche ihrer Jacke. Jedes Mal, wenn sie tagsüber etwas Schönes erlebte – den Sonnenaufgang, das Lachen eines Kindes, eine kurze Begegnung, ein gutes Mahl, einen schattigen Platz in der Mittagshitze nahm sie dies ganz bewusst wahr, freute sich darüber von Herzen und ließ eine Bohne von der rechten Tasche in die linke gleiten. War das Erlebnis besonders schön und gar überraschend, wechselten zwei oder drei Bohnen die Seite. Abends saß die alte Frau dann zu Hause und zählte die Bohnen aus der Tasche. Sie zelebrierte dies geradezu und führte sich so vor Augen, wie viel Schönes ihr an diesem Tag widerfahren war. Und auch an einem Abend, an dem sie bloß eine Bohne zählen konnte, war der vergangene Tag ein gelungener Tag – es hatte sich zu leben gelohnt.

Bohnen für die Jackentasche

Bohnen für die Jackentasche (Foto: AM)

Ich finde das sehr nachahmenswert. Nur scheint es mir auch sinnvoll, sich vorher um die Löcher in den Jackentaschen zu kümmern. Mir fällt genau das oft sehr schwer. Die Bohnen gleiten von rechts nach links, und dann gleich rein ins Loch. Oft kann ich mich schon abends nicht mehr daran erinnern. Irgendwohin verschwinden die kleinen Erinnerungen.
Mir ging eben auf, dass es wenig nützt, im türkischen Supermarkt günstig zehn Kilo Bohnen zu kaufen. Ich werde mich besser um die Löcher kümmern. Meine Mutter hatte doch Recht. Manchmal ist es hilfreich, Nadel und Faden zur Hand zu haben.

Allen Lesern wünsche ich schöne Weihnachten – und wem es so geht wie mir, dem wünsche ich dazu eine heiße Nadel und einen langen Faden – für einen löcherfreien Start ins neue Jahr – mit Aufbrüchen statt Vorsätzen.

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